Mittwoch, 20. November 2013

Zum Tode von Dieter Hildebrandt

One life. With each other.
Dieter Hildebrandts Leben auf dieser Erde ist vorüber.
Als ich diese Nachricht heute über einen Facebook-Eintrag der Süddeutschen Zeitung erfuhr, war meine instinktive Reaktion, die Nachricht zu teilen mit einem "R.I.P." als Kommentar. Aber dann dachte ich: Damit würdest Du Dieter Hildebrandt Stoff für eine neue Kabarett-Nummer geben. Und das wäre auch der Fall, würde ich mir mehr Zeit nehmen und einen Nachruf auf Facebook posten. Doch wie gut kenne ich Dieter Hildebrandt im Vergleich zu Kurt Krömer oder Konstantin Wecker, die mit ihm zusammenarbeiteten und ihm jeweils die Ehre eines Nachrufs gewährten? Was weiss ich mehr, als das was in Wikipedia steht? Was kann ich besser als die Redakteure des heute journals, die just in diesem Moment, als ich diese Zeilen schreibe, Ihren Nachruf über den Äther jagen?
Das mehr, das diesen Nachruf rechtfertigt, kann nur darin bestehen, wie ich Dieter Hildebrandt wahrgenommen habe. Allerdings ist der Anfang nebulös. Ich kann mich nur daran erinnern, dass ab einer gewissen Zeit in meiner Jugend der Scheibenwischer über unseren heimischen Fernseher flimmerte. Ich verstand die Anspielungen "des scharfzüngigen Meister[s] des geschriebenen und den stotternden Volksvertreter des auf der Bühne gesprochenen Wortes", des "personifizierte[n] schlechte[n] Gewissens der Nation", des "spöttische[n] Beobachter[s] der konservativen Politik" noch nicht, aber diese Sendung erhielt einen festen Platz in meines Vaters und meinen Fernsehgewohnheiten (und da war neben Fussball nicht mehr viel Platz). Und sie prägte meine politische Einstellung mit, bis heute. Im Laufe der Zeit verstand ich auch immer mehr Anspielungen.
Erschreckt hat mich die Geschichte mit dem Sendeboykott, als die CSU im Jahr 1986 verhinderte, dass der Scheibenwischer in Bayern gezeigt wurde. Derartiges Gebärden ist noch keine 30 Jahre her und auch heute noch lange nicht verschwunden, wie Siegmund Gottliebs Sorge um Abwechslung zeigt. Es war für mich damals undenkbar, dass die Politik Einfluß auf Sendeinhalte nimmt. Dieser Zahn wurde mir anhand des Scheibenwischers gezogen. Und in mir verfestigte sich der Gedanke: Dieter Hildebrandts Sendung ist den Regierenden ein Dorn im Auge. Dieter Hildebrandt ist gut.
Gut war er auch in Kir Royal. Diese Sendung habe ich erst vor ca. 10 Jahren entdeckt, mit ihrer bitterbösen Darstellung des Alltags und Schicksals eines Schmierenjournalisten. Hildebrandt war für die Rolle ideal: Der Kleine, der Fotograf Herbie, der das Geschehen der Großen (Baby Schimmerlos, gespielt vom Kommunisten Franz Xaver Kroetz) begleitet. Mit gemeinen Anmerkungen.
Am Tage seines Todes habe ich Hildebrandts letztes Projekt kennengelernt: Stoersender.TV, ein Internetsender für Störenfriede. Ich weiss noch nicht, ob es gut ist. Aber der Mitbegründer des Projekts war es. Hildebrandt war gut.
One life you got to do what you should. Dieter Hildebrandt tat, was man tun sollte. Möge er in Frieden ruhen.