Samstag, 4. Oktober 2014

Intersuff 2014

Es ist wieder so weit: schon früh morgens begegnen mir auf dem Weg zur Arbeit fesche Burschen in bayerischer Tracht. Oder dem, was ihnen als solche angedreht wurde. Noch passender wird es, wenn diese Männer dann den Mund öffnen und Wörter in breitestem US-amerikanischem Slang von sich geben. Dann weiß ich wieder: Es ist Oktoberfest in München und niemand verpasst etwas, wenn ich nicht hingehe. Am allerwenigsten ich. Bitte nicht falsch verstehen: Ich glaube, mittlerweile erkannt zu haben, dass an meinem Wesen die Welt nicht genesen wird. Also wenn ich die Wies'n nicht mag (unten werde ich schreiben, weswegen), heißt das nicht, dass sie jemand anders nicht mögen darf. Was mich an der Wies'n zum einen stört, ist die Trachttragerei durch Menschen, die ihren Lebensmittelpunkt nicht in Bayern haben (sprich: Ned von do dahoam san), als Kampfgewand für den Saufeinsatz. Zum einen gibt es an verdammt vielen (wenn nicht allen) Orten der Welt eine traditionelle Kleidung: In Köln, in Rio, in Tokyo. Ich würde mir allerdings niemals anmaßen, die ortsansässige Tracht anzuziehen. Denn die Leute dort verbinden in aller Regel etwas mit der Kleidung nach ihrer Väter (und Mütter) Sitte, es mag eine Reminiszenz sein an das, was ihre Verfahren getan und vielleicht auch geleistet haben. So zumindest ist es bei mir als im tiefsten Chiemgau Eingeborener : auch wenn ich glaube, mich lediglich bei einem meiner vier Großelternteile daran erinnern zu können, dass sie (meine Oma mütterlicherseits) jemals Tracht trug, so steht bayerische Tracht für die Zeit, in der Sie lebten, und für die Art, wie sie lebten. Auch eingedenk der Tatsache, dass sich die Zeiten ändern, haben Männer, die sich an einem Werktag während des Oktoberfests frühmorgens in Köln in Lederhose in ein Flugzeug steigen, um nach München zu fliegen, (vermutlich nicht, um die Pinakotheken - wo ich auch noch nie war - zu besuchen) mit der Art, wie meine Großeltern lebten, nicht das geringste zu tun. Schon gar nicht, wenn sie - zum anderen - auf die Wies'n gehen, um sich möglichst viele Massn reinzupressen. Nicht dass man in Bayern nicht gerne feiern würde. Und auch nicht, dass es keine alkoholkranken Menschen in Bayern geben würde. Aber diese Art des Massenbesäufnisses steht nicht für das Bayern meiner Vorfahren. Und schon gar nicht hätte man zu einem solchen Zweck seine Lederhose oder sein Dirndl getragen. Diese trug man - so weit meine Erinnerung reicht - zu kirchlichen Festen oder weltlichen Festumzügen. Nicht aber, um sich überteuertes Industrie-Bier in vorreservierten Hausboxen zu kaufen, sich voll wie 'ne Haubitze dann auf die Bänke zu stellen und "Macarena" zu gröhlen und mit zunehmendem Rausch immer stärker zu hoffen, dass man - je nach sexueller Neigung - den Inhalt der Lederhose nebenan noch zu fassen bekommt oder den Inhalt des Dekolletés gegenüber noch kneten darf. Und ja, ich kann das alles so gut beschreiben, weil ich es selbst schon gemacht habe (mit Ausnahme des Wunsches nach dem Inhalt der Lederhose nebenan). Aber irgendwann hab ich dann ein Interview mit Sepp Daxenberger in der SZ gelesen (das ich leider nicht mehr finde), in welchem er anlässlich des Wies'n-Auftakts gefragt wurde, weswegen er keine Lederhose trage, ob er denn keine habe. Doch, sagte er, er habe eine, aber die ziehe er nur zu Anlässen an, die es ihm wert sind. Also darf jede(r) gerne wie auch immer gekleidet auf das Oktoberfest gehen und dort tun, was auch immer ihm/ihr gefällt. Aber das soll dann bitte für das gehalten werden, was es ist: Fasching. Und nicht für traditionell bayerisch, denn das ist es nicht. Oder um es mit Hans Söllner zu sagen: "Ois deafst vokaffa, blos d'Leid ned und s'Land". Übersetzung für die Isarpreißn: "Alles darfst Du verkaufen, nur nicht Land und Leute".