Donnerstag, 6. Februar 2014

So gebet dem Kaiser, was des Kaisers ist [...] - Lukas 20:25

Man könnte fast den Eindruck gewinnen, Journalisten hätten etwas zu verbergen: So begründet Guido Bohsem in der heutigen Ausgabe der Süddeutschen Zeitung, "[w]arum die Selbstanzeige nicht abgeschafft werden darf" und Holger Steltzner bezeichnet in der FAZ die Selbstanzeige als "eine Chance zur Rückkehr in die Steuerehrlichkeit." Man gibt also erst mal dem Kaiser nichts - wenn man Angst hat erwischt zu werden, gibt man es ihm dann doch. Aber erst dann.

Guido Bohsem kommt dabei zu folgendem Schluss: "Gäbe es die Selbstanzeige nicht, wären Tausende Steuerbetrüger nicht zum Finanzamt gegangen. Sie hätten nicht ausgepackt. Sie hätten nicht gezahlt. Sie hätten weiterhin darauf gehofft, nicht erwischt zu werden."

Dies mag als Ergebnis durchaus richtig sein. Allerdings sollte man meiner Meinung nach auf Bohsems Weg zu diesem Schluss an zweierlei Punkten einhaken.

Zum eineen verweist Bohsem selbst in den Sätzen vor der obigen Passage auf den Grund -  oder genauer geschrieben - den Anlass, auf welchen hin Steuerbetrüger zu den Finanzämtern gingen: Sie taten dies, weil in den Medien die Nachricht verbreitet wurde, dass deutsche Finanzbehörden Informationen über Steuerhinterzieher aufgekauft hatten. Dies bedeutete für die Steuerbetrüger, dass die Gefahr der Enttarnung bestand. Und erst die Angst vor dieser Enttarnung, verursacht durch die Berichterstattung in den Medien, brachte in den Betrügern den Wunsch auf, sich der früheren Missetat entledigen zu wollen. Ohne diese Angst hätten sie nicht ausgepackt. Ohne diese Angst hätten sie nicht gezahlt. Und ohne die Steuer-CDs hätten sie weiterhin darauf gehofft, nicht erwischt zu werden. Die Möglichkeit zur Selbstanzeige half ihnen lediglich, diesen Wunsch mit weniger schlechten Folgen für sie erfüllt zu bekommen, d.h. mit einem blauen Auge aus der Sache herauszukommen. Anderen Kriminellen, die sich vielleicht auch kurz vor der Enttarnung wähnen (weil zum Beispiel in den Medien darüber berichtet wird, dass eine DNA-Reihenuntersuchung zur Aufklärung eines Mordes angesetzt werden soll), bietet sich diese Möglichkeit der leichteren Entlastung nicht. Zwar wirkt es sich strafmildernd aus, wenn sich Täter stellen und ein Geständnis ablegen - aber nicht in gleichem Maße, wie beim Steuerbetrug. Entsprechend sollte man meines Erachtens nicht auf die Selbstanzeige setzen - sondern auf mehr Ermittlungen.

Zum anderen - und da spricht vielleicht der Ökonom aus mir - spielt die Möglichkeit zur späteren Selbstanzeige vermutlich eine Rolle bei der ursprünglichen Entscheidung, ob Steuern hinterzogen werden oder nicht. Im Grunde steht der Steuerzahler dabei vor der Entscheidung zwischen folgenden Alternativen:
1. Ich zahle meine Steuern und habe damit eine Auszahlung in Höhe von -x EUR jetzt
2. Ich zahle meine Steuern nicht und habe damit eine Auszahlung in Höhe von 0 EUR jetzt; ggf. muss ich mich selbst anzeigen (sofern ich Angst - siehe oben - habe, entdeckt zu werden) die x EUR später und y EUR Strafe zahlen - habe somit eine Auszahlung von -(x+y) EUR

Sofern sich also die Selbstanzeige strafmildernd auswirkt, erhöht sie den Anreiz für den Steuerzahler, Variante 2 zu wählen (zumindest verglichen mit einer Entscheidungssituation, in der sich der Steuerzahler ohne Selbstanzeige vor einer höheren Strafe fürchten müsste).

Bedenkt der Steuerzahler dann noch, dass die Strafverfolgungfrist nach fünf Jahren endet (d.h., nach fünf Jahren kann man für Steuerhinterziehung nicht mehr bestraft werden), so erhöht dies den Anreiz, die Steuerhinterziehung zu versuchen, noch weiter: Ich muss ja nur fünf Jahre nicht entdeckt werden und falls ich Angst kriege, zeige ich mich selbst an.

Im Grunde, ist der Ehrliche der Dumme, wenn er dem Kaiser gibt, was des Kaisers ist.

P.S.: Holger Steltzner sagt sonst nichts diskutierenswertes.


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